‘Sitzen ist das neue Rauchen’. Bewegungsmangel als neue Volkskrankheit.
Der Buchtitel ‘Sitzen ist das neue Rauchen’ von Kelly Starrett beschreibt in einem Satz, wie gesundheitsschädlich viel Sitzen für unseren Körper ist. Unser Körper ist für Bewegung gemacht. Sitzen hingegen ist eine angeeignete Körperposition. Die Kombination aus zu wenig Bewegung mit zu viel Sitzen kann zu negativen Auswirkungen im Körper führen. Eine überwiegend sitzende Tätigkeit beginnt schon in der Schulzeit und setzt sich im Berufsleben fort.
Bewegungsmangel hat sich zu einem besorgniserregenden Thema entwickelt, spätestens seit der weitverbreiteten Einführung von Homeoffice. Der DKV-Report aus dem Jahr 2021 (Der DKV-Report 2021 – Wie gesund lebt Deutschland?) zeigt, dass die Deutschen im Durchschnitt 8,5 Stunden pro Tag sitzen, was um eine Stunde mehr ist als noch im Jahr 2018. Ein weiteres Ergebnis beleuchtet das geringe Bewegungsverhalten: nur in etwa zwei Drittel der Befragten erreichen die empfohlene gesundheitsfördernde Bewegungszeit der WHO (150 Minuten pro Woche).
Überlegen wir, wie oft wir an einem durchschnittlichen Arbeitstag sitzen?
- Wir sitzen beim Frühstück.
- Wir sitzen auf dem Weg in die Arbeit (Auto, Zug).
- Wir sitzen am Schreibtisch.
- Wir sitzen beim Mittagessen.
- Wir sitzen bei einer Besprechung.
- Wir sitzen beim Abendessen.
- Wir sitzen vor dem Fernseher.
- Wir sitzen beim Lesen und Lernen.
- Als Seitenschläfer sind wir nochmals in einer ähnlichen Position mit angezogenen, gebeugten Knien.
Was sind nun die Probleme vom langen Sitzen (nicht nur im Homeoffice)?
Das Naheliegendste ist die Gewichtszunahme, wenn wir uns nicht ausreichend bewegen. Außerdem kann Bewegungsmangel viele Prozesse im Körper verändern bzw. einschränken. Oft kann es passieren, dass wir uns nicht “richtig” bewegen und wir unseren Körper immer wieder in eine Schonhaltung bringen. Diese erscheint für den Moment zwar angenehmer, leider sind die Folgewirkungen dieser falschen Körperhaltung aber erst nach Jahren erkennbar.
Die häufigsten Fehlhaltungen sind der Rundrücken oder der überstreckte Rücken. In diesem Artikel liegt der Fokus auf dem Rundrücken.
Auswirkungen eines Rundrückens
Die häufigste Schonhaltung beim Sitzen ist der Rundrücken, d. h. nach vorn gebeugter Rücken, nach innen eingerollte Schultern und vorgereckter Kopf.
Folgende Folgewirkungen können durch das ständige Vorbeugen entstehen:
- Das Zwerchfell wird komprimiert, wodurch wir nicht mehr tief in den Bauch atmen können. Durch die flache Brustatmung glaubt unser Körper jedoch, ständig in einer Gefahrensituation zu sein und schüttet Stresshormone aus.
- Die Wirbelsäule wird normalerweise durch die Muskeln im Gesäß sowie im Rumpf (Bauch und Rücken) stabilisiert. Wenn diese schwächer werden, sucht der Körper ständig nach einer passenden Schonhaltung, die entsprechend leichter fällt.
- Einzelne Wirbel können auf Bandscheiben drücken. Das ist ok für eine gewisse Zeit, aber irgendwann ist es zu viel. Am ehesten entstehen diese Probleme in der Halswirbelsäule (durch das Vorbeugen des Kopfes) und in der Lendenwirbelsäule (durch die Beckenkippung nach hinten).
- Es kann zu einem Ungleichgewicht zwischen der vorderen und hinteren Muskulatur führen. Durch das ständige Vorbeugen ist die vordere Muskelpartie verkürzt (Brust, vordere Schulter, Hüftbeuger) und die hintere zu lasch (Gesäß, Rücken, hintere Schulter).
Diese Folgewirkungen sind die Ursache für das Hauptproblem der meisten ‚Vielsitzer‘: Schmerzen im Rücken, im Nacken oder in der Hüfte. Schmerz ist immer ein Anzeichen dafür, dass im Körper etwas nicht passt!
Bewegungs-Tipps für sitzende Berufstätige
Natürlich können wir nicht aufs Sitzen verzichten! In manchen Situationen ist Sitzen die angebrachte Haltung, wie z. B. beim Autofahren, bei einem gemeinsamen Abendessen oder bei einer Besprechung. Aber wir können daran arbeiten, das Sitzen angenehmer und aktiver zu gestalten sowie uns – zwischendurch – so oft wie möglich zu bewegen und zu mobilisieren.
- Das naheliegendste und beste Mittel ist, immer wieder aufzustehen und sich zu bewegen. Unsere Muskeln und Gelenke wollen durchblutet werden. Am besten nach ca. 45 Minuten für 2 bis 3 Minuten bewegen, idealerweise sogar den Puls in die Höhe bringen. Dies ist wiederum ein Zeichen für unseren Körper, dass er nicht schläft und dass alle normalen Prozesse im Körper weiterlaufen sollen.
- Nicht-Sport bezogene Aktivitäten erhöhen, also z. B. Arbeiten im Stehen, Gartenarbeit, mit Kind spielen, zum Bus laufen, und natürlich Stiegen steigen (statt Rolltreppe).
- Atemübungen praktizieren für die Zwerchfellatmung.
- Lernen, die Wirbelsäule richtig auszurichten, damit wir sowohl im Sitzen als auch in funktionellen Bewegungen im Alltag automatisch die richtige Körperhaltung einnehmen.
- Stärkung der Stabilitätsmuskulatur, also der Muskulatur rund um die Wirbelsäule sowie im Gesäß, Bauch und Rücken.
- Dehnung der verkürzten vorderen Muskulatur, also des Hüftbeugers, der Brustmuskulatur und der vorderen Schultern.
- Bewegung der Wirbelsäule in alle Richtungen, inklusive Drehungen, damit die Bandscheiben durchblutet werden und damit wir für funktionelle Bewegungen im Alltag vorbereitet sind.
Die ersten beiden Vorschläge können wir leicht umsetzen. Für die anderen Tipps können zielgerichtete, einfache Übungen in den Büroalltag eingebaut werden. Mit beweglichen Gelenken und einer aufrechten Haltung gehören Rückenschmerzen der Vergangenheit an!
Autorin: Silke Schermann
Dipl. Gesundheits- und Personaltrainerin
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